Bereits letzte Woche hatten Mitglieder der US-Regierung durchblicken lassen, dass auch offizielle Verhandlungen der afghanischen Regierung mit den Taliban kein Tabu mehr sind. Welches Ausmaß die Gespräche annehmen würden blieb jedoch unklar.
Nun hat die New York Times mit einer Nachricht aufgemacht, die so vor kurzem noch undenkbar gewesen wäre: “Taliban Elite, Aided by NATO, Join Talks for Afghan Peace”, heißt es am Mittwoch.
Demnach reisen Teile der Taliban-Elite, Mitglieder des höchsten Taliban-Rates, der Kuetta Schura, aus dem Exil im benachbarten Pakistan an. Nicht nur hat NATO zugesichert, keine Taliban festzunehmen, sondern im Gegenteil, die westlichen Truppen sorgen für freies Geleit.
Mullah Mohammed Omar, der Oberste Talib, soll nach Angaben der New York Times jedoch nicht zu den Verhandlungen geladen sein. Dieser Umstand ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass Omar den pakistanischen Sicherheitskräften zu nahe steht, die tunlichst aus den Verhandlungen herausgehalten werden sollen. Vielleicht ist es auch der Versuch, die Taliban zu spalten.
Die Regierung Karsai soll zudem schon seit Monaten mit Mitlgiedern des Hakkani-Netzwerkes, einer der radikalsten Guerilla-Gruppen, Gespräche geführt haben.
Über die Auswirkungen der Gespräche auf die Befriedung Afghanistans lässt sich nur spekulieren. Es handele sich um Vorgespräche. Die Aufständischen, die in westlichen Medien vereinfacht unter dem Sammelbegriff “Taliban” firmieren, setzen sich aus verschiedensten Gruppen und Fraktionen zusammen.
Welchen Einfluss die Führer im pakistanischen Exil auf die Kämpfer in Afghanistan tatsächlich haben, ist unbekannt. Allein die Al-Kaida, das Hakkani-Netzwerk und die ehemaligen Mitglieder und Kämpfer der Taliban-Regierung stellen bereits drei Fraktionen.
Zum Beispiel sind die meisten Mitglieder der Al-Kaida in Afghanistan Ausländer arabischen Ursprungs, die Ahmed Rashid in seinem Standartwerk “Taliban” als Arab-Afghans bezeichnet. Weil es speziell dieser Gruppe um den globalen, nicht auf Afghanistan beschränkten, Dschihad geht, ist es nur schwer vorstellbar, dass sie sich ernsthaft auf Verhandlungen einlassen.
Bisherige inoffizielle Verhandlungen sind meist an den gegenseitigen Hauptforderungen gescheitert: die Taliban wollen, dass die NATO Afghanistan verlässt, die afghanische Regierung will, dass die Taliban die Waffen abgeben. Zudem sind die Aufständischen aufgrund ihrer mittlerweile relativ starken militärischen Position in der Lage harte politische Forderungen stellen.
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Die Foreign Policy schreibt zu den Verhandlungen: “The insurgents in Afghanistan are no more unitary an actor than the Afghan government or the NATO coalition, further complicating negotiations” “http://www.foreignpolicy.com/articles/2010/10/22/smoke_and_mirrors_in_kabul
Zur Einordnung der Offensive Dragon Strike schreibt Vikash Yadav: http://afghannotebook.blogspot.com/2010/10/operation-dragon-strike-and-kandahar.html