Der pakistanische Journalist und Autor Ahmed Rashid ist Spezialist für die Taliban. Bereits 2000 -noch vor der US-geführten Invasion- verfasste er das Standardwerk über die radikalislamische Bewegung. Als Kolumnist für BBC Online bewertet er die Forderung ehemaliger Taliban nach der Errichtung eines Stützpunktes für die Islamisten in einem Drittstaat, um mit der afghanischen Regierung und den Vereinigten Staaten zu verhandeln.
Nach Vorschlägen von vier ehemaligen hochrangigen Taliban, die jetzt unter Aufsicht der afghanischen Regierung schwer bewacht in der Hauptstadt leben, kämen entweder einer der Golfstaaten, die Türkei, Japan oder sogar Deutschland als neutraler Boden für Verhandlungen in Frage.
In einem Gespräch mit Rashid habe der afghanische Präsident Hamid Karsai gesagt, dass der Krieg nur durch solche Gespräche ein Ende finden könne. Der Oberkommandeur der ISAF-Truppen in Afghanistan, General David Petraeus, sei da skeptischer. Es wolle mehr Zeit darauf verwendet, die militärische Offensive voranzutreiben.
Die Taliban verlangten vorab, die Freilassung von Kämpfern und die Streichung der Namen ihrer führenden Köpfe von der schwarzen Liste der UN. Erst kürzlich habe die afghanische Regierung 45 Namen von Aufständischen von der Liste streichen lassen. Der afghanische UN-Gesandte Sahir Tanin habe verlangt, weitere 10 Namen zu streichen.
Rashid geht davon aus, dass die Taliban dazu übergegangen seien, einen quasi realpolitischen Ansatz zu verfolgen. Es sei ihnen bewusst, dass es ihnen nicht möglich war Afghanistan in den 1990er Jahren alleine, vollständig zu regieren – das ginge jetzt genau so wenig. Daher suchten die Taliban nach Möglichkeiten, mit der Regierung einen Plan zur Machtbeteiligung zu entwerfen; nicht zuletzt, um international nicht wieder isoliert zu werden und auch auf Entwicklungshilfe zählen zu können.
Zudem werde für die Taliban in ihren Rückzugsgebieten auf pakistanischer Seite die Luft dünn. Sowohl der pakistanische Geheimdienst ISI als auch das pakistanische Militär, die die Islamisten seit den Anfängen ihrer Machtergreifung 1994 unterstützt hatten, kehrten ihnen den Rücken oder versuchten sie zu manipulieren. Auch deshalb schlügen die Taliban in der jüngsten Vergangenheit eher afghanisch-nationalistische Töne an, anstelle sich weiter für den internationalen Dschihad à la Al-Kaida zu erwärmen.