Der afghanische Journalist Abdul Latif Sahak beschreibt in einem Artikel für das Krisenberichterstattungsinstitut IWPR, wie sich die Sicherheitslage im Norden Afghanistans, der zum der Bundeswehr unterstellten Regionalkommando Nord gehört, stetig verschlechtert hat.
Sahak, ein Reporter aus der Provinz Balkh, die lange Zeit als ruhig galt, nennt drei maßgebliche Faktoren, die zur zunehmenden Unsicherheit Beitragen. Daraus muss geschlossen werden, dass der Bundeswehr schwere Zeiten in ihrem einsatgebiet bevorstehen.
Unzureichende Vorkehrungen
Daud Daud, der Kommandant der Afghanischen Polizei, zuständig für den Norden und Nordosten des Landes, sagt: „Die Aufständischen sind im südlichen Provinzen unter Druck geraten. Also haben sie sich nach Norden gewand.“
Die Taliban haben im Norden leichtes Spiel, da sowohl afghanische Sicherheitskräfte als auch die Bundeswehr nicht für deren zunehmende Aktivität gewappnet und vorbereitet sind. Die afghanischen Sicherheitskräfte fehlt es an Personal und Ausrüstung. Die Bundeswehr muss sich in ihrem Vorgehen erst noch auf die raue Gangart einstellen.
Die Aufständischen stoßen quasi ein sicherheitspolitisches Vakuum. Im vergangenen Monat allein seien 30 Sicherheitskräfte ums Leben gekommen. Zudem sei die Kooperation zwischen ISAF-Truppen und den afghanischen Polizeikräften schlecht, so Daud.
Atta Mohammed Nur, der Gouverneur der Provinz Balkh, fügt hinzu, dass, während es im vergangnen Jahr nur wenige Dörfer gab, in denen die Sicherheitslage prekär war, so habe sich das Problem rasant verbreitet.
Nun tummelten sich die Taliban teils in den Vororten der Provinzhauptstadt Masar-i-Scharif – der dortige Stützpunkt Camp Marmal ist das Logistikzentrum für den Bundeswehreinsatz im Norden.
Grassierende Armut
Seit die Taliban-Bewegung 1994 in Afghanistan von Sieg zu Sieg schritt, rekrutierten sie nicht nur ideologisierte Überzeugungstäter. Unter ihnen waren auch viele nicht-professionelle Söldner, die aus ärmlichen verhältnissen heraus die Reihen der Gotteskrieger füllten.
Dieser Trend setzt sich fort. In der Provinz Farjab im Nordwesten des Landes, der von norwegischen Einheiten besetzt, aber in den Verantwortungsbereich der Bundeswehr fällt, ist die Sicherheitslage umgeschlagen.
Der Provinzgouverneur Abdul Hak Schafak erklärt dem IWPR, der Grund für den zunehmenden Zulauf sei Armut und Arbeitslosigkeit, sie seien dafür verantwortlich, dass die Leute versuchten bei den Taliban Geld zu verdienen.
Ethnische Konflikte
Die Taliban kommen ursprünglich aus dem überwiegend paschtunisch geprägten Süden des Landes, südlich des Hindukuschs. Kandahar-Stadt war der Hauptsitz der Taliban, von hier aus regierte Mullah Omar, der oberste Taliban, das Land.
Der Norden in dem vor allem Tadschiken, Usbeken und Hasara und Turkmenen leben wurde seit der Niederlage der Russen und ihrem Rückzug 1989, von lokalen Kriegsherren, wie dem usbekischen General Raschid Dostum, regiert. Als Nordallianz stellten diese Kriegsherren die Bodentruppen für die US-geführte Invasion 2001.
Vor allem die ethnische Minderheit des Nordes, die Paschtunen, leiden unter Diskriminierung und Verfolgung durch Gruppen wie der Dschamiat-i-Islami und Junbesch-i-Melli. Viele schließen sich daher den Taliban an, da diese traditionell dieser Volksgruppe nahestehen.
Um die Sache weiter zu verkomplizieren, muss allerdings angeführt werden, dass die Taliban auch Unterstützung von radikalen Usbeken erhalten, wie der Islamischen Bewegung Usbekistan (IBU). Die IBU gründete sich wie die Taliban in den 1990er Jahren und ist seit dem vergangenen Jahr verstärkt wieder im Norden Afghanistans aktiv.