Tag 4, Mittwoch, 30. März 2011 – Erster Tag im COP | “Roger that!”

Ein Blick aus den umliegenden Hügeln auf das COP Sar Hawsa

Über den Combat Outpost (COP) Sar Hawsa befiehlt der 28-jährige Captain James Perkins aus Detroit. Seine Apache Company gehört eigentlich zum Bataillon 2-28 der 172. Infanteriebrigade. Für den Einsatz in Afghanistan ist die Kompanie jedoch dem Bataillon 3-66 unterstellt.

Perkins verfügt über insgesamt vier Platoons, sogenannte Züge mit jeweils etwa 30-40 Mann. Darunter zwei leichte Infanteriezüge, ein Zug Pioniere, und die Headquarter und Headquarters Company, einem Zug, dem neben allem Führungspersonal auch die Soldaten der Artillerie und Mörser, Mechaniker, Köche etc. unterstellt sind.

Insgesamt, mit allen sogenannten “Enablers“, hat Perkins das Kommando über etwa 200 Soldaten. “Enablers” sind alle Teileinheiten, die regulär nicht der Kompanie unterstellt sind, so wie etwa Mörser und Artillerie. Nach dem Ende des Kalten Krieges hat die US-Army ihre Verbände in kleinere, mobile Teileinheiten unterteilt, die je nach Auftrag und Bedarf für bestimmte Einsätze zusammengestellt werden. Eine Art militärisches “Pick-n-Mix“-System.

Zweckentfremdeter Parkplatz

Der COP ist etwa zwei Fußballfelder groß, also viel kleiner als die Forward Operating Base Sharana, auf der wir die vergangene Nacht verbrachten. Angeblich war es früher eine Art Schotterparkplatz bevor der Outpost nachgebaut wurde, Google-Maps bestätigt den Verdacht.

Das Herzstück ist das Tactical Operations Centre (TOC), eine Kommandozentrale aus Pressholz, in der Perkins das Sagen hat. Entlang der einen Längseite des COP  sind in zwei Reihen olivfarbene Standartzelte aufgebaut. Vor ihnen rattern Heizlüfter, wie wir sie bereits aus Sharana kennen.


Das Lager ist mit einem Maschendrahtzaun eingefasst, vor dem eine zusätzliche Barriere Stacheldraht ausgelegt ist. Im Einsatzgebiet wäre ein so geringer Schutz undenkbar. Die meisten Außenposten und Feldlager dort sind nach Außen mit sogenannten “Hescos” gesichert, Drahtkörben, die mit Schutt und Sand gefüllt sind. Sie bieten Sichtschutz, können nicht durchschossen werden und schützen vor Splitterwirkung.

An jeder der vier Ecken steht ein hölzerner Wachturm. Sie sehen aus wie überdimensionierte Jägerhochsitze, deren Ausguckhäuschen mit Sandsäcken gesichert und Tarnnetzen verschleiert sind. Außerhalb des Zauns wurden zwei Artilleriestellungen eingerichtet.

Bei Kriegsbeginn liegengeblieben

Der Krieg war für 24.00 Uhr angekündigt. Als Eröffnungssalve explodierten drei “Mörsergranaten” um kurz nach 6.00 Uhr morgens. Da keine Sirene ertönt und es draußen Stockfinster ist, bleiben wir im Zelt. Draußen ist es im Gegensatz zum Zelt außerdem arschkalt.

Alle scheinen den Auftakt der Kampfhandlungen relativ gelassen aufgenommen zu haben. Am Frühstücksbuffet hat sich jedenfalls nichts geändert. Es gibt Pfannkuchenteig am Stab mit Blaubeeren und Fleischeinlage. No Mampf, No Kampf.

Fußpatrouille am Vormittag

Die Sonne scheint. Um 9.30 bestreiten wir unsere erste auf Patrouille mit Leutnant Martin vom White Platoon. Die Züge sind nicht durchnummeriert, sonder haben jeweils eine Farbe als Kennung: red, white, blue und green.

Es geht ein paar Hundert Meter in die Ortschaft Sar Hawsa. Hier checken die Männer Zusammen mit einem Abgesandten der USAID, ob der Krankenhausneubau abgeschlossen wurde.

17 Soldaten, zwei Übersetzer, ein Zivilangestellter der US-Regierung von USAID nehmen teil. Die Lage in der Ortschaft ist ruhig. Die ganze zeit über Kreisen zwei Apache-Kampfhubschrauber über dem Geschehen, sichern die Patrouille aus der Luft ab.

Rap am Nachmittag

Der Auftrag lautet, Grenzposten der Afghan Border Police zu checken. Also sitz ich am Nachmittag mit Sergeant Billie Wilson aus New York im Hummer. So wie viele andere Soldaten trägt Wilson einen dünnen Schnurbart. Angeblich weist er ihn als “Tanker” aus, ehemalige Panzerbesatzung.

Private First Class Ronnie Wood aus Florida rapt schließlich ein paar Strophen von Lil’ Wayne feat. Blake vor sich hin, nachdem ihn Sergeant Wilson unterstellte, er sei ja lediglich zu schüchtern, weil der Reporter mit an Bord sei.


Hinten neben mir, oder eher gesagt, auf der anderen Seite des Humvees, sitzt der 19-jährige Private First Class Justin Alves. Er kommt aus South Carolina und sagt Sachen wie “Roger son!” und heißt mit Rapnamen Blaze und hat bereits ein Mixtape draußen. Er steht auf den Dirty-South-Sound und sonst nichts.

Der Mann im Turm, von dem man eigentlich nur Beine und Arsch mitbekommt, ist der 19-jährige Justin Chelf, aus Oklahoma, er steht die Fahrt über im Turm und dreht mal mit und mal ohne Wilsons Ansage das MG hin und her.

Ich erzähle Blaze, dass House of Pain nicht zu verachten gewesen seien, denn die Beats wurden von Muggs von Cypress Hill, also einem Künstler von der Westküste, produziert, die Raps aber kamen von Whiteys von der Ostküste in Boston. Blaze überlegt, scheint aber nicht überzeugt.

Alle Insassen, inklusive des Reporters, können sich schließlich darauf einigen, dass Jay-Z auf jeden Fall abgeht und Rappen kann. Noch mal gütlich geeinigt.

Hirsche im Tal

Unten im Tal gucken uns ein Paar Hirsche hinterher, wie wir langsam den Kiesweg entlang kriechen und schließlich wieder halten. Wilson erzählt, er habe das Buch “War” von Sebastian Junger gelesen. Es hat sich zum Standartwerk für Soldaten und Embeds in Afghanistan entwickelt.

Junger hatte über ein Jahr hinweg eine Gruppe Fallschirmjäger der Schwesterbrigade aus Vincenza in Italien nach Afghanistan begleitet. Bereits der Bataillonskommandeur Lieutenant Colonel Tyler hatte das Buch erwähnt, er sagte aber, er könne viele Passagen des Buches nicht unterstützen.

Auf den wenigen Kilometern, die wir über die Schotterpisten des Übungsplatzes rollen, stoppt die Kolonne aus drei Humvees und einem MRAP unzählige Male, wegen verdächtiger Gegenständen, sogenannten Improvised Explosive Devices (IED), der sich oftmals als Müll im Gebüsch heraustellt.

IEDs sind die Waffe der Wahl der Taliban, durch die in Afghanistan die meisten Zivilisten und Soldaten ums Leben kommen. Wir sind insgesamt drei Stunden unterwegs.

Steak und Kartoffelpüree

Abendessen

Abends gibt es Steak mit Kartoffelpüree, zerkochten Karotten und Erbsen und Gravy. Die Sonne hat den Ganzen Tag geschienen. Sie haben die beiden Artilleriegeschütze in das Lager verlegt. Und zwei weitere Zelte aufgebaut. Der erste volle Tag im COP Sar Hawsa ist überstanden.

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